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Der Innenraum

Der Neubau

Anfang des 17. Jahrhunderts war die mittelalterliche Pfarrkirche von Wechselburg durch einen Brand stark beschädigt worden. Bis zum Neubau von St. Otto in den 1730er Jahren fanden Gottesdienste in der provisorisch wieder hergestellten Kirche statt.

Nachweislich großen Einfluss auf die Baugestaltung der neuen Kirche hatte der Kirchenpatron Graf Franz Heinrich von Schönburg-Forderglauchau-Wechselburg. Er änderte die Pläne des Königlich-Polnischen und Chur-Fürstlich Sächsischen Landbaumeisters Johann Herrmann dahingehend ab, dass die neue Kirche keinen Kanzelaltar erhielt, sondern die Kanzel vis-à-vis der gräflichen Patronatsloge angeordnet wurde.

Der nördliche Logenbau bot der gräflichen Familie in Höhe der ersten Empore die Möglichkeit, am Gottesdienst teilzunehmen. Darunter wurde die Sakristei untergebracht. Gegenüber an der Südseite befanden sich in Höhe der gräflichen Loge die Amtsloge bzw. die Loge für den Hofrat und darunter die Loge des Pfarrers.

Außergewöhnlich für ein reformiertes Gotteshaus sind auch die beiden Beichtstühle zuseiten des Altars im Chorraum. Statt einer Emporenkirche entstanden zwei Emporen. Die Orgel fand auf der Orgelempore, gegenüber dem Altar, ihren Platz. Kirchenschiff und Turm wurden durch Vorhallen verbunden.

Dass die gräfliche Familie das Erscheinungsbild der St. Ottokirche maßgebliche mitgeprägt hat, zeigen weitere Stiftungen aus dem Hause von Schönburg. So stiftete Graf Alban von Schönburg (1804-1864) zum 100-jährigen Kirchweihjubiläum am 20. Oktober 1837 das wundervolle Altarbild des gekreuzigten Heilands. Albans Schwester, Gräfin Jeromia Catharina (1809-1843) stiftete das vergoldete Kruzifix auf dem Altar. 

Der Innenraum der St. Ottokirche.

Die drei Taufsteine

In unserer St. Ottokirche finden sich drei Taufsteine. Neben dem Rochlitzer Taufstein von 1650 im Altarraum und einem weiteren von 1889 in der südlichen Vorhalle am Turm gibt es eine dritte Taufe, die man nicht auf den ersten Blick entdecken kann. Sie befindet sich in dem massiven Lesepult im Altarraum.

Dieser sogenannte Taufständer ist ein Werk des späten 18. Jahrhunderts. An seinen Seiten befinden sich vier verschiedene Darstellungen. Gezeigt werden der Zug der Israeliten durch das Schilfmeer unter der Führung des Mose, die Beschneidung Jesu im Tempel, seine Taufe durch Johannes und schließlich eine christliche Taufszene.

Zweck dieser Bildfolge ist, den Weg Gittes mit den Menschen zu illustrieren. Der Zug durch das Schilfmeer stellt den ersten Schritt in das von Gott verheißene Land dar. Die Beschneidung Jesu erinnert an den Bund, den Gott mit den Israeliten schloss, die Taufe symbolisiert die Erweiterung dieses Bundes Gottes auf alle Menschen. Die vierte Abbildung schließlich stellt den Bezug zur Gegenwart dar.

Helle, Ordnung, Reinheit und Schönheit

Durch die Planänderung des Grafen erhielt der Bau im Innern seine streng symmetrische Anmutung und Ordnung. „Helle, Ordnung, Reinheit und Schönheit“ kennzeichnen die inneren Räume, so bemerkte ihr Pfarrer Leonhard Kalb im Jahr 1843 zurecht. Sie seien „ganz dazu geeignet, die empfängliche Seele zur freudigen Andacht zu stimmen und ihr die christliche Religion als eine edle Lichtgestalt zu vergegenwärtigen.“

Die räumliche Verteilung von Sinnbildern am Altar, an den Herrschaftslogen, der Kanzel und der Orgelempore zeichnet dem Kirchenraum zudem die Figur des lateinischen Kreuzes ein.

Ihre reichhaltige Ausgestaltung mit Sinnbildern verdankt die Pfarrkirche wahrscheinlich der speziellen rechtlichen und machtpolitischen Konstellation, welche das Verhältnis der Reichsgrafen von Schönburg zu ihren Nachbarn, den sächsischen Kurfürsten, kennzeichnete.

Zur Erbauungszeit ist das allegorisch-emblematische Bildprogramm der Sinnbilder in der Wechselburger Pfarrkirche einzigartig. Als Schöpfer kommt der Kunstmaler Johann August Thomae infrage. Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch der Kirchenpatron Franz Heinrich von Schönburg-Forderglauchau-Wechselburg, der schönburgische Amtmann und Hofrat Nietzsche und der Wechselburger Pfarrer Götzinger Einfluss auf die Sinnbildfindung nahmen. Die Kosten für den Altar und die Bildwerke übernahm der Kirchenpatron.

Im Wandel der Zeit

Der Innenraum der St. Otto-Kirche gilt heute als einer der schönsten barocken Emporenräume Sachsens. Um ihn mit kostbarem Marmor auszustatten, war die Gemeinde nicht reich genug. So verwendete man für die Säulen und die rings um das Kirchenschiff laufenden Emporen Holz, das im Stil des „Bauernbarock“ unbefangen bemalt wurde, damit es wie bunter Marmor wirken sollte. Dabei ist den Erschaffern aus damaliger Zeit scheinbar ein kleiner Fehler unterlaufen. Schaut man sich die tragenden Säulen der ersten Empore genauer an, so erkennt man an einigen dieser, dass die Farbe teilweise senkrecht nach unten gelaufen ist, da diese scheinbar zu dünnflüssig war.

Als im ausgehenden 19. Jahrhundert Abendgottesdienste üblich wurden, beschaffte die Kirchgemeinde im Jahr 1890 Kerzenbeleuchtung. Die Leuchten in gleicher Form im Altarraum und der heute noch mit Kerzen bestückte Kronleuchter deuten noch heute darauf hin. Im gleichen Jahr wurde eine Niederdruck-Dampfheizung eingerichtet. Diese befand sich in einem kleinen Gewölbe in der Kammer unterhalb des Turmes. Die mit Kieselsteinen verfüllten und mit Gitterplatten abgedeckten Schächte im Mittel- und an den Seitengängen lassen deren Ausmaße erahnen.

Im Jahre 1892 wurden bunte Glasfenster in die Kirche eingebaut. Heute ist nur noch zu erahnen, welches schönes Farbspiel die so einstrahlende Sonne in den Innenraum gebracht hat. Als zum Ende des II. Weltkrieges ein Munitionsdepot im nah gelegenen Schlosspark gesprengt wurde, wurden durch die Druckwelle unter anderem auch die bunten Scheiben unserer Kirche zerstört. Noch heute kann man vereinzelt bunte Glasscherben unter den seitlichen Gestühlreihen finden.

Der Innenraum der St. Ottokirche strahlt eine gewisse Großzügigkeit aus, lässt aber sofort spüren, dass er nicht um menschlichen Ruhmes willen, sondern zur Ehre Gottes entstand.

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